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Sabina Hörtner

Das Prinzip der Arbeit von Sabina Hörtner basiert auf der Zeichnung, die auf räumliche Situationen reagiert und auf den manifesten architektonischen Raum illusionistisch konterkariert, erweitert, verändert oder negiert. Dazu bedient sie sich einer Struktur aus horizontalen und vertikalen Linien, die farblich differenziert gebündelt werden und eine Art Rasterung erzeugen, die am Computer generierte Raummodelle assoziieren lassen. Damit haben wir quasi die wesentlichsten Eckpfeiler ihrer interventionistischen Praxis: den dreidimensionalen Raum als Ausgangsgröße, die illusionistische, zweidimensionale Zeichnung als Eingriffselement und die Assoziation an virtuelle Raumkonstruktionen aus dem Bereich der datenverarbeitenden Medien. Was in den Hintergrund tritt ist einerseits die subjektive Geste der Künstlerin, deren Handschrift von der objektivierenden Geometrie der Lineatur und Raumillusion absorbiert wird, und andererseits die haptische Dimension der Architektur, die dialektisch von ihrer neuen Oberflächengestaltung unterlaufen wird: Wo etwa eine Ecke die räumliche Ausdehnung begrenzt, suggeriert die Zeichnung ein Fortlaufen der Wand; wo eine Tür die Homogenität der Wandfläche unterbricht, wird sie im Durchblick auf die nächste Wand im dahinterliegenden Raum fortgesetzt und optisch geschlossen. Die Spannung der Arbeit liegt in der Kollision zwischen der faktischen räumlichen Situation und ihrer virtuellen Alternative: Zwischen dem, wie es ist, und dem, wie es auch sein könnte. Damit wird die Tatsächlichkeit des dreidimensionalen Erscheinungsbildes selbst in die Latenz einer Möglichkeit zurückversetzt das vermeintlich Reale in seiner manifesten Form hinterfragt. Noch weiter verkürzt, steht hier das Verhältnis von Fakt und Fiktion, von Realität und Illusion zur Diskussion, die zwar als oppositionelle Dimension behandelt, in ihrer Gleichzeitigkeit aber fusioniert werden und damit einen Raumbegriff postulieren, der sich für das Auge simultan als widersprüchliches Ereignis darstellt. Im Unterschied zur Scheinarchitektur oder zur illusionistischen Wandmalerei, die hier natürlich kunsthistorisch Pate stehen, verzichtet Hörtner auf die Idee der Sparvariante einer illusionistischen Raumveredelung, der Addition oder Applikation eines inhaltlichen und sozial geprägten Motives – wie etwa eines Ausblicks in eine arkadische Landschaft, wo diese nicht existiert oder einer Architektursprache, die realiter nicht finanzierbar wäre, sondern konzentriert sich in der Ökonomie ihrer Intervention auf die Produktion des Scheincharakters per se. Im assoziativen Feld computergenerierter Raummodelle, die zunehmend unsere Erfahrung von Realitätskonstruktion bestimmen, insistiert ihre Praxis aber auf einen Zusammenhang mit zeitgenössischen Formen der Wahrnehmung und Produktion.

Hier wird vor allem die Frage nach dem Subjekt virulent, gehen wir davon aus, dass sich die Maßstäblichkeit für unsere Begriffe von Realität quantensprungartig in den Bereich der Virtualität verlagert. Als Bezugssystem für unsere Position als „psychophysische Ereignisfelder“ – um den Begriff des Subjekts einzuengen, erzeugt die unendliche Variierbarkeit des virtuellen Raumes ein dermaßen fließendes symbolisches System, das unsere Erfahrung für mögliche Identitätsbestimmungen enorm erweitert und zugleich – angesichts des Abstraktionsgrades der Raumdefinition – beschränkt. Darin liegt auch der Grund, warum sich Sabina Hörtner in geradezu anachronistischer Form der Handzeichnung bedient und diese mit dem dreidimensionalen Raum kurzschließt, um sich den Status des virtuellen Umfeldes im Verhältnis zum manifesten Raum leibhaftig zu vergegenwärtigen: produktionsästhetisch wie rezeptionsästhetisch. Die Frage, die sich hier aufdrängt, bezieht sich auf die ideologische Perspektive von Hörtners Praxis: Inwieweit wird hier einem Körper-und Wahrnehmungsbegriff das Wort geredet, die mit dem rahmen der technischen Evolution nur mehr schwer kompatibel sind und einer nicht zuletzt romantischen Vorstellung von Erfahrung verbunden bleiben? Und inwieweit suggeriert die Konfrontation eines realen Raumes mit seiner virtuellen Auslegung auf formaler Ebene die Idee einer autonomen Raumgestalt, die einer sozialen und Machtinteressen unterworfenen Aufladung entbehrt? Ich denke, dass der evidente spektakuläre Eindruck ihrer Arbeiten, der sicherlich in der Monumentalität und Suggestivität ihrer Interventionen angelegt ist, zum Teil schon Antworten auf diese Fragen geben kann. Gerade die Idee des Spektakels und seines Ereignischarakters wurden theoretisch in ihrer Funktion als strategische Verdeckungs- und Verschleierungsinstrumente bereits dargelegt. In unserem Zusammenhang hieße das, den spektakulären Eingriff zugleich als Verdachtsmoment zu interpretieren, indem der Augenschein sofort seiner Oberfächenbefangenheit überführt werden kann. Mit anderen Worten: Je überzeugender die Transformation des Realen vorgeführt wird, desto deutlicher tritt die Strategie der Illusionierung oder Vortäuschung virtueller Tatsachen in Erscheinung. Die Qualität des Effekts ist zugleich die evidenteste Quelle seiner Verdächtigkeit. Anstelle aber auf der anderen Seite die manifeste räumliche Situation in ihrem Realitätsanspruch zu affirmieren und festzuschreiben, wird auch diese – wie bereits erwähnt – in der Konfrontation mit ihrer virtuellen Modifikation als kontingente Größe definiert. Die Position des Subjekts könnte man in dieser Hinsicht wohl am besten mit der Figur des Scheiterns umschreiben, die beiden Dimensionen des Faktischen und Fiktiven noch von einander abheben zu können.