Sabina Hörtners Medium ist die Zeichnung. Auch wenn manche ihrer Werke Computergrafiken ähneln – und wohl auch bewusst auf deren Ästhetik referieren – ist das herausragende Merkmal ihrer Arbeitsweise die “ Handarbeit“. In einem geradezu meditativen Akt überträgt die Künstlerin in einem mühevollen Geduldsakt jede einzelne Linie per Hand auf das Blatt. Sie überlagert die metrischen Linienfolgen mehrfach, so dass mittels der vielfachen Schichtungen regelmäßige Raster entstehen.
Hörtner benutzt für ihre Zeichnungen handelsübliche Edding-Stifte in den genormten Farbtönen. Die einzigen Unregelmäßigkeiten in ihren rhythmischen Bildkompositionen entstehen durch die Abnutzung der Stifte und der damit verbundenen zunehmenden Aufhellung des Strichs.
Ein weiteres Spezifikum ihrer künstlerischen Praxis ist die raumspezifische Herangehensweise. Stets reagiert sie auf den speziellen Ausstellungsraum, so wie auch in der eigens für die Ausstellung „Streng geometrisch“ in situ angefertigten, wandfüllenden Installation „1904 m.“.
Von der Decke bis zum Boden verlaufen 6 bezeichnete Papierbahnen. Hörtner treibt dabei ein subtil ironisches Spiel mit dem Format der Fototapete, das gegenwärtig nahezu als Inbegriff des Kitsches und des schlechten Geschmacks gilt. Somit reagiert sie unter anderem auf die oftmals geäußerte Kritik, „streng geometrische“ Kunst sei bloß selbstverliebte, formale Spielerei, dekoratives Muster und somit „Tapete“.
Sie kleistert die Papierbahnen nicht an die Wand, sondern lässt sie frei von der Decke hängen. Das Papier wird nicht auf das betreffende Wandformat zugeschnitten, statt dessen bleiben die „überschüssigen“ Bahnen einfach aufgerollt am Boden liegen. Das „(Täger-)Material Papier“ wird auf diese Weise nicht wie üblich zum Verschwinden gebracht oder unreflektiert als Bildgrund benutzt, sondern besonders hervor gehoben.
Ein weiteres Indiz, welches auf Fototapeten verweist, ist eine konkrete Horizontlinie, die in das geometrisches Liniengeflecht eingearbeitet ist. Durch das harte Aufeinandertreffen unterschiedlicher Rasterungen hebt sich deutlich eine diagrammatische Zackenform ab, die nicht zufällig an eine alpine Berglandschaft erinnert. Als Vorlage diente Sabina Hörtner hierfür eine alte, private Schwarzweissfotografie eines Berges in der Steiermark, den sie von Kindesbeinen an oftmals gemeinsam mit ihrem kürzlich verstorbenen Vater bestieg.
Die Künstlerin verknüpft in ihrer Arbeit Materialbewußtsein und geometrisches Formenvokabular mit codierten, autobiografischen Elementen und belegt virtuos, dass sich „streng geometrisch“ und „subjektiv“ keinesfalls gegenseitg ausschliessen müssen.