Info

Sabina Hörtner

Sabina Hörtners Werk der letzten Jahre geht von der Durchdringung zweier voneinander verschiedenen Disziplinen aus. Einerseits die Skulptur, also die Dreidimensionalität, andererseits die Zweidimensionalität der Zeichnung., bilden den Einstieg in eine Formdiskussion, deren wesentliches Ziel die Entkategorisierung der Kunst ist.
Die Linie als ursprüngliches Element der bildenden Kunst wird hier in der Zeichnung wie auch in den rot, grün und blau lackierten Skulpturen eingesetzt. Dünne Bandeisengeflechte, geometrisch organisiert, brechen die Kompaktheit der Körper, (Quader, Würfel etc) auf. Eine Auflösung der skulpturalen Körperlichkeit in environmentartige Räume ist dabei meist nur die Folge, vor allem bei den größeren Arbeiten. Die Illusion, in der Zweidimensionalität der Zeichnung angedeutet, läßt sich im skulpturalen Gebilde realisieren. Die Grenzen einer praktischen Umsetzung auf skulturaler Ebene sowie die Entwicklung hin zur Entmaterialisierung zwingen die Künstlerin, sich intensiv mit den Möglichkeiten der Zeichnung auseinander zu setzen. In einer früheren Werkphase bestanden Hörtners Zeichnungen ausschließlich aus horizontalen und vertikalen grünen, roten und blauen Linien. Zusammengefügt ergeben die Einzelblätter eine wandfüllende Gestaltung, die in alle Richtungen imaginär fortsetzbar ist. Ohne Zentrum erweitert sich das Geflecht der sich unregelmäßig dichter und locker kreuzenden Horizontalen und Vertikalen. Die Einzelteile, in ihrer Positionierung variabel, existieren ebenso als selbständige Blätter, was die Ausschnitthaftigkeit der Gesamtkonzeption unterstreicht. Die Andeutung von Räumlichkeit wird in Sabina Hörtners neuesten Arbeiten konkretisiert. Immer deutlicher wird man an architektonische Entwürfe erinnert. Ken Adams’ mit Filzstift gezeichnete Pläne für die Bauten für die Bauten aus James-Bond-Filmen der 60er Jahre (Kommandozentralen, Unterirdische Gangsystem etc) fallen spontan ein. Die Erfahrung mit elektronischen Medien, die KünstlerInnen dieser Generation selbstverständlich gemacht haben, bringen die Möglichkeiten, virtuelle Raumsituationen zu schaffen und sie im nächsten Moment wieder zu ändern, nahe. Hörtners Filzstiftzeichnungen entstehen aus dieser Erfahrung, bedienen sich jedoch völlig einfacher und herkömmlicher mittel wie Filzstift und Lineal. Alle Konstruktionsvorgänge sind ohne Verwendung eines Computers geschehen.
Erst in der dicht an dichten Montage entstehen die räumlichen Konstellationen, die durch eine kühle, exakte Struktur geprägt sind. Sol Lewitts revolutionärer Akt, direkt an die Wand zu zeichnen (1968, Galerie Paula Cooper, New York), hatte die Zerstörung der Künstlerzeichnung zum Ziel.
Das temporäre Ereignis erzielt Hörtner durch die Variabilität der kleinformatigen Einzelzeichnungen, die sie durch Neuorganisation auf spezielle Raumsituationen abstimmen kann. Der illusionistische Effekt verändert sich somit, was aber nicht durch einen erneuten Produktionsvorgang geschieht, sondern durch den geänderten Zusammenhang desselben Materials. Der „Tompe-L’Oeil“-Effekt, nicht zuletzt wegen seiner unerschöpflichen illusionistischen Anziehungskraft, die davon ausgeht und wegen des Reichtums an Erscheinungsformen, ist ein wesentliches Grundprinzip dieser Arbeiten. Der Betrachter ist in einen Zustand dauernder Wachsamkeit versetzt, ausgelöst durch die unvorhersehbaren Änderungen der visuellen, illusionistischen Informationen, die das Werk von sich gibt. Der starke kinetische Aspekt, der diesen Kompositionen innewohnt, führt erneut hin auf Erscheinungsformen innerhalb technischer Medien. Kombinationen technischer Elemente, die der Betrachter auf Grund seiner Sehgewohnheiten als räumliche Gebilde wahrnimmt, springen durch Perspektivabweichungen um in die Zweidimesionalität.
Der Raum erfährt somit durch die Zeichnung als Manipulationsmittel eine direkte Verwendung. Er wird als Materie verstanden, die das Verschwinden des Gegenstandes ankündigt.
Das ausschließliche Eingehen auf die vorhandene Architektur hat die Existenz einer skulpturalen Äußerung unnötig gemacht. Der Raum gewinnt somit eine wesentlich größere Bedeutung als die tastbare Materie. Im Computer sind derartige simulatorische Phänomene selbstverständlich. Konstruktivismus und Op-Art bedienen sich konventioneller Mittel in der Herstellung. Sabina Hörtner unternimmt den gelungenen Versuch einer Verbindung dieser Vorraussetzungen. Ohne Scheu, durch die Verwendung herkömmlicher Verfahrensweisen historisch zu agieren, simuliert sie die Möglichkeiten des technischen Hilfsmittels und unterläuft es somit.