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Sabina Hörtner

Wenn Kunst im öffentlichen Raum sich nicht als Monument der Verehrung oder Erinnerung darstellt, erscheint sie problematisch. Selbst „Erinnerungsstationen“ rufen trotz ihrer eindeutigen Funktionslage große Schwierigkeiten hervor. Wann immer es sich einer Person oder eines historischen Ereignisses zu erinnern gilt, kommt es in der Bevölkerung zu hitzigen Debatten. Das hat auch die Diskussion um das „Denkmal für die ermordeten Juden Europas“ in Berlin gezeigt. Ein Projekt ohne Monumentalität oder Inszenierung künstlerisch umzusetzen und Bescheidenheit und Aufrichtigkeit walten zu lassen ist gewiss alles andere als einfach: Zu rasch wird die Machdemonstration der diversen Obrigkeiten aufgenommen, werden die Opfer mit dem selben Pomp geehrt, mit denen man zuvor den Tätern gehuldigt hat. Verstörung, Bewusstmachung etc. haben zusehends theoretischen Charakter. Die Ästhetik des öffentlichen Raums wird von kommerziellen Botschaften bestimmt. Die Werbetafeln, Geschäfts-und Bankfassaden sind zum visuellen Hintergrundsrauschen der Städte geworden. Nicht anders verhält es sich mit dem erweiterten öffentlichen Raum, dem elektronischen, dem Medienraum. Die Akzente, die man mittels Kunst setzen und mit denen man vielfach politisch agitierend ins Leben eingreifen wollte, hat der Alltag meist mit der Maßlosigkeit des Gleichgültigseins zurückgeschlagen. Da Kunst im öffentlichen Raum allem Anschein nach einer gewissen Legitimation bedarf, hat sich in den 90er Jahren neben dem Begreifen, dem kognitiven und sinnlichen Verstehen, ein weiterer zugang entwickelt: der des Verwendens. Die Form ergibt sich dabei aus der Erforschung der geschichtlichen Situation und der aktuellen Bedürfnisse der Menschen. Das Prozeßhafte gewinnt etwas Integratives. Sabina Hörtner trug dieser Entwicklung mit ihrer Arbeit Wo. 35-40.98 Rechnung. Sie setzt sich in ihrer künstlerischen Praxis, auch wenn ihre Arbeiten nicht immer direkt für den öffentlichen Raum konzipiert sind, vor allem mit Formen der Erweiterung des traditionellen Kunstbegriffs auseinander. Ihre Anordnungen im Bereich des Skulpturalen, Zeichnerischen und der Installation stellen von Anfang an ein offenes, jenseits der üblichen Kategorien angesiedeltes System dar. Im gegebenen Fall verband sich der performative Charakter (die zitierte Form des Bandltanzes) mit der visuellen Repräsentationsform des Kunstwerks. Die an der Stange befestigten roten, blauen und grünen Bänder und deren mögliche Verwendung knüpften an die auf Horizontalen, Vertikalen und Diagonalen basierenden Filzstiftzeichnungen und Klebebandinstallationen an, die Hörtners künstlerische Arbeit dominieren. Dass das autonome Kunstwerk, das aus der Wechselbeziehung zwischen seiner Eigengesetzlichkeit und der Subjektivität des Künstlers lebt, im öffentlichen Raum obsolet geworden ist, sieht man auch an Hörtners Wo. 35-40.98. Ganz selbstverständlich siedelte sie ihre Intervention zwischen autonomer Kunst und öffentliche und alltägliche Handlungsabläufe einbeziehendem strukturellem Szenario an – gab ihr also die Position und Funktion, die eine Rezeption auf verschiedenen Ebenen zuließ. Eine im Ars Electronica Center aufgestellte Videokamera machte alle 5 Minuten ein Standbild. Dadurch entstand eine geraffte Anordnung des gesamten Ablaufs, die wiederum als Ausgangsmaterial für eine comicartige Bildgeschichte diente. Die Reihung der verschiedenen Bildsequenzen verwies erneut auf den Prozeßcharakter des Projekts, während die topographische Situation der Arbeit zwischen Urfahraner Markt und Ars Electronica Center die+ Herkunft des Comics aus der Trivialkultur und seine Integration in die Hochkultur spiegelte. Bräuche wie der Bandltanz haben den öffentlichen Raum ursprünglich geprägt. Als Kunst noch in erster Linie Machtdemonstration von Obrigkeiten (Staat, Kirche) war, erfüllten diese aus dem Volk kommenden Manifestationen Funktionen, die man heute teils von der Kunst im öffentlichen Raum einfordert. Hörtners Arbeit ging mit zeitlichen, sozialen und topographischen Raumvorstellungen höchst sensibel und präzise um. Das Publikum, das sich – in welcher Form auch immer – mit den Bändern beschäftigte, trug zum Entstehen des Kunstwerkes bei. Dass natürlich nicht nach den ursprünglichen regeln des Tanzes vorzugehen war, sprach ebenso die soziale historische Umschichtung an, wie die Spannung zwischen dem jahrhundertealten, ländlichen folkloristischen Element und dem zeitgenössischen, urbanen künstlerischen Kontext. Kunst ist ein Gegenmodell, das von außen auf die Gesellschaft einwirkt. Dieses Gegenmodell gibt sowohl dem Produzenten als auch dem Rezipienten Möglichkeiten der Seinsbetrachtung. In einer in selbstgeschaffenen Sach – und Überlebenszwängen gefangenen Gesellschaft sollten das kreativ-individuelle Anderssein und das Widersprüchlich-Unvereinnahmbare als Hoffnung notwendig und deshalb durchaus „denkmalwürdig“ sein.